In einem
Kreis von
10 Metern Durchmesser stehen acht Skulpturen. Sie bestehen aus
einem Teller von 1 Meter Durchmesser, dessen horizontale Achse beweglich
auf zwei Stelen aufliegt. Der Teller einer dieser Skulpturen hat die
Form eines Nestes. In dem Nest liegt die Tänzerin, verborgen
unter den langen Bändern ihres Kostüms.
Kleine, unmerkliche Bewegungen der Tänzerin lassen die Bänder
zu Boden gleiten, bis schließlich das Nest kippt. Der Tanz beginnt.
Wie ein entschlüpfter Vogel, der seine Fähigkeit zu fliegen
erst noch entdecken muss, macht sich die Tänzerin mit ihrem Kostüm
den Raum zu eigen.
Acht verschiedene Kostüme streift sie sich während des Tanzes
nach und nach über und legt sie wieder ab. Jedes Kostüm
bietet ihr eine neue Formensprache, in der sie wiederum mit den Skulpturen
kommuniziert.
Skulpturen und Kostüme sind in Form und Farbe, in Klang und Bewegung
aufeinander bezogen:
Die Tellerform z. B. wiederholt sich im Jutekleid, wenn die Tänzerin
sich wie ein Kreisel dreht. Ein anderes Kostüm, der " Schmetterling",
nimmt die axiale Drehung der Teller wieder auf und transponiert sie
in die vertikale Ebene. Holzkugeln am Saum und Glasperlen am Ärmel
schlagen gegen die Teller der Skulpturen und erzeugen Klänge.
Klang erzeugt aber auch eine der Skulpturen selbst, wenn ihr Teller
sich durch den Luftzug des Gewandes der Tänzerin bewegt.
Die Interaktion der skulpturalen Formen und der Bewegungsformen verwandelt
den Kreis in einen rituellen Raum. Hier gibt sich das Individuum hin,
geht über sich hinaus und findet sich neu. Nicht die soziale
Integration ist hier Inhalt des Rituals sondern die subjektive Integration
des eigenen Erlebens. Das Ritual erleichtert den Übergang in
eine veränderte Wahrnehmung, welche mit dem Eintreten in eine
neue Lebenssituation verbunden ist, sei es Geburt oder Tod, Pubertät
oder Ehe, plötzliches Leid oder Glück.
"Ein immer wiederkehrendes Thema in einer Schwellensituation,
in der das rituelle Subjekt symbolisch von einem gewohnten, stabilen
gesellschaftlichen Zustand getrennt, in einen ihm bisher völlig
unbekannten, undefinierten Zustand versetzt ist, ist das Abstreifen
aller Eigenschaften, die für die Zeit vor und nach dem Schwellenzustand
kennzeichnend sind."
Victor Turner, Anthropologe " In Lebenskrisen, besonders im Angesicht
des Todes, befreien sich die Menschen in ihrer Angst und Furcht von
Spannungen und überwinden ihre Verzweiflung durch die Ausübung
von religiösen Riten." Bronislaw Malinowski, Sozialanthropologe
Wer bin ich und wo stehe
ich? Diese Frage aller Fragen sucht ihre Antwort sowohl im Absoluten,
als auch in der Relation zur Umgebung.
"Wenn ich ihn recht verstehe,
hatten die Menschen immer einen aus sinnlicher Erfahrung hervorgegangenen
Sinn für das Göttliche, für die Idee des Unendlichen."
"Alle menschliche Erkenntnis ist sinnlich vermittelt, alles Denken
beruht auf Sinnen, wobei der Tastsinn den schärfsten Eindruck
von Wirklichkeit vermittelt."
Edward E. Evans-Prichard über den Naturmythologen Max Müller
Die Reflexion der eigenen Impulse durch die Umgebung - optische, akustische
und taktile Erfahrung - ermöglicht die Selbstwahrnehmung: ich
begreife mich selbst, indem ich die Welt begreife.
"Die intuitive Sicherheit, ein Ich zu sein, gründet nicht in
abstrakten Wissen über uns selbst, sondern im Spüren des
eigenen Körpers, der stets, wenn auch diffus, als vertraute Signalquelle
präsent ist." "Unser gesamtes Erleben ist der Inhalt eines vom
Gehirn zu unserem Nutzen erzeugten 'mentalen Modells' der Welt. Subjektivität,
Selbst-Bewußtsein oder ein Ich entstehen, wenn in diesem Modell
ein Bild unserer selbst, ein 'Selbstmodell' enthalten ist."
Thomas Metzinger, Philosoph
"Selbst-Bewußtsein hat sich zuerst als Körper-Bewußtsein
entwickelt,"
Daniel Povinelli, Primatenforscher
" Bewußtseinsinhalte sind in jedem Augenblick die Folge tatsächlicher
oder simulierter Bewegungen und beeinflussen wiederum die Auswahl
des nächsten Bewegungsstücks."
" Die Einheit der Bewegung, ist es, die für die Einheit und den
Zusammenhalt des Bewußtseins sorgt."
Rodney Cotterill, Hirnforscher
Ich erzeuge Bewegung, indem ich mich bewege, ich bewirke Veränderung,
indem ich mich verändere. Meine Grenze finde ich dort, wo sich
nichts mehr verändert .
Wenn ich mich um mich selber drehe, finde ich meine eigene Mitte dort,
wo sich nichts mehr bewegt.